Ein Buch wie "Kino
im Kopf"
R.Hugh: "Und die Asche des Himmels..."
C.A.T. Schroedinger
Werther hätte von R.Hugh lernen können, wie man Beziehungskummer
psychisch verarbeitet, schrieb einst eine Rezensentin im "Mannheimer
Morgen" über "Träume von Träumen", das
erste Buch des aus Heidenheim gebürtigen Autors. Nein, sie meinte
nicht den Werther des Herrn G., sondern die moderne Adaption des Stoffs
"Die neuen Leiden des jungen W." von Ulrich Plenzdorf. Vergleichen
kann man schließlich nur Vergleichbares: 70er-Jahre mit 70er-Jahren.
Auch in den 80ern, als er das jetzt erschienene Buch in ersten Teilen
und Entwürfen zu schreiben begann, ist der Autor seinem Thema
"menschliche Psyche" treu geblieben. Heraus gekommen ist
nach gut 20 Jahren mit vielen Schreib-Pausen und Schubladendasein
des Manuskripts "ein Buch wie Kino im Kopf", so eine Co-Lektorin.
"Und die Asche des Himmels..." ist die Geschichte des Mittzwanzigers
Alfred Gebhardt, der sich zwischen familiären Problemen, beruflicher
Sackgasse und der sehr persönlich empfundenen Bedrohung durch
die gewalttätige Weltpolitik der 80erJahre (Kalter Krieg, Atomrüstung,
Iran, Nahost) in der eigenen Angst verstrickt und schließlich
in der Psychiatrie landet. "Und die Asche des Himmels..."
ist auch die Geschichte der Fluchtwelt des Alfred G., die er sich
in seinen Gedanken so konkret erschafft, dass er schließlich
darin und mit ihr untergeht. Keine Angst, keine Gewalt und keine Furcht
vor Krieg und Untergang sollte es dort geben. Doch noch während
Alfred dies ausmalt, meldet sich sein Ich: "Wie langweilig."
Und er fragt sich, wie er das wohl machen würde, mit den bösen
Individuen in seiner Welt, mit den dunklen Gestalten, dem Bösen
an sich, dem Bösen in sich selbst. "Nein", denkt er,
"auch in meiner Welt gäbe es wohl Töten und Angst.
Aber dort wären sie nicht real, lediglich das Salz in der Suppe,
etwas, das ich selbst dosieren könnte, wie es mir beliebt, denn
alles in meiner Welt müsste tun, was ich will, selbst das Böse.
Schließlich wäre ich der Schöpfer dieser Welt : Gott
in der Suppe..."
Doch Alfred G. kommt niemals auch nur in die Nähe, seine Fluchtwelt
zu kontrollieren, die er in einer Zeit weit vor unserer ansiedelt
: zu Zeiten von Atlantis, doch mit allem Wissen, aller Zivilisation,
allen Konflikten wie wir sie heute haben. Fluchtwelt geht unter, wie
einst das sagenhafte Atlantis, als "Kleines Silber", der
zweite, kleine Mond der Erde, vom Himmel fällt.
Erzählt wird die Geschichte nicht in Form eines streng dramatisiert
aufgebauten Romans. "Und die Asche des Himmels..." ist ein
Mosaik aus Geschichten und Erzählfäden, die erst nach und
nach ein Ganzes ergeben. Hinter dem lesenden Auge entsteht ein Spiegelbild
dieser Fluchtwelt, die sich in keiner Weise besser als unsere Wirklichkeit
der "Kalte-Krieg-80er" des vorigen Jahrhunderts erweist.
Der Leser muss sich selbst viel ausmalen und zusammenreimen, wie ein
Reisender in einem fremden Land, der nicht mehr Informationen bekommt,
als beim Blick in eine x-beliebige Zeitung.
Dieses bewusst offen und der Fantasie des Lesers Überlassen in
der Erzählweise, dieses oft nur Andeuten von Geschichten hinter
der Geschichte kommt nicht von ungefähr: der Autor ist gelernter
Zeitungsredakteur, hat neben seinen anderen Tätigkeiten stets
für die Blätter in seiner Heimatregion und darüber
hinaus (u.a. etwa für "Willkommen", die weltweit verbreitete
Zeitschrift des Goetheinstitutes) geschrieben, hat 14 Jahre lang in
der Redaktion eines privaten Rundfunksenders gearbeitet (und für
mehrteilige Reportagen in den 90ern zweimal Landeshörfunkpreise
bekommen) - er weiß wohl um die Art des verkürzten Formulierens,
kennt sich aus in der Kunst des Weglassens, ohne das Ganze aus den
Augen zu verlieren.
Manch Leser, der ihn kennt, insbesondere in seiner Wahlheimat Schwäbisch
Hall, könnte auf den Gedanken kommen, R. Hugh beschreibe sein
eigenes Leben. Sicherlich findet sich in manchen Passagen Autobiografisches
- auch er hat, wie sein Protagonist Alfred G. und die Fluchtwelt-Figur
Rola Danh Delasorinnh einst ein Teefachgeschäft geführt,
auch er hat wie Alfred G. Ahnenforschung betrieben und seine Ahnenreihe
bis ins Jahr 1478 zurückverfolgen können, auch er hat die
Psychiatrie am Weinsberger Weißenhof (im Buch der Schwarzenhof)
von innen kennengelernt, allerdings nicht als Patient sondern als
Besucher seiner damaligen Freundin, und nicht zuletzt: Alfred ist,
nachdem beide Großväter so hießen, einer der bürgerlichen
Vornamen des Autors - der, den nach amerikanischem Vorbild mit einem
Buchstaben abgekürzt zwischen Ruf- und Familiennamen zu setzen,
in jüngster Zeit vor allem bei Prominenten auch in Europa Mode
geworden ist. Des Autors Biografie gibt also allenfalls den Rahmen
vor für die Geschichte(n), die in R.Hughs Fantasie entworfen
wurden.
"Und die Asche des Himmels..." ist in den Grundzügen
bereits Ende der 80er entstanden. Lange lag das Manuskript in der
Schublade, wurde in den 90ern mehrmals von Verlagen ignoriert, von
Literaturagenten wieder zurückgesandt, lag wiederum Jahre in
der Schublade und wurde jetzt nach mehrmaliger Überarbeitung
als sechstes Buch des Autors im Haller product verlag veröffentlicht.
Das Buch hat 388 Seiten und ist in einer für die Augen wohltuend
großen 14pt-Schrift gedruckt. Es kostet 23,80 €uro und
ist unter der ISBN 978-3-921685-03-7 im gesamten deutschsprachigen
Raum im Buchhandel oder online bei amazon bestellbar.